Vielleicht liegt es an der Internet-Enthaltsamkeit, die ich nun seit gut zwei Monaten kultiviere, dass mir die flächendeckende Allwissenheit des Netzes heute so unheimlich vorkommt:
Gerade war ich bei Youtube, wo ich mich – das muss ich auch als webagentin zugeben – recht selten umtue und wo ich nur minimale persönliche Daten eingegeben habe. Dort wurde mir einmal mehr angeboten, an Ort und Stelle Freunde zu finden und für den Anfang schlägt man mir vier Personen vor. Von diesen vier Personen kenne ich drei. Meine Verbindung zu all diesen drei Personen lässt sich eigentlich nur über mein E-Mail-Postfach erkennen, mit einer bin ich außerdem bei Facebook befreundet, einer anderern folge ich auf Twitter.
Außerdem las ich gerade Spiegel Online. Eine der Werbungen, die mir dort eingeblendet wurden, waren für Hotels in Ronda, unter anderem für ein Hotel, bei dem ich tatsächlich kürzlich via Internet ein Zimmer gebucht habe. Gesucht hatte ich damals per Google nach Hotels in Ronda.
Wenn ich online bin, bin ich meist bei Google eingeloggt und über meine Google-Startseite auch bei Facebook und Twitter. Offensichtlich fließen die Daten über meine Bewegungen im Internet munter zu allen möglichen Drittanbietern – die Allwissenheit von Youtube, an dem Google ja beteiligt ist, würde mich vielleicht am wenigsten überraschen, aber Spiegel online?
Bin ich nur Internet-entwöhnt und daher so überrascht oder gab es in den letzten Monaten tatsächlich nochmals einen Quantensprung in Sachen Datenfluss? Habe ich alledem in irgendwelchen AGBs zugestimmt? Verkauft Google nun doch Bewegungsdaten an Drittanbieter? Hatte Facebook wieder eine Datenpanne? Sollte ich mich das alles stoisch hinnehmen, da die Entwicklung zur Allwissenheit aller ja absehbar war und ich mich sehenden Auges in diese hemmungslose und skrupellose Maschinerie gestürzt habe? Und wann wird der Zeitpunkt für den digitalen Selbstmord gekommen sein, um wieder ein Leben mit Geheimnissen zu führen? Ohne Geheimnisse gibt es keinen Platz für Fantasie und ohne Fantasie ist das Leben langweilig. Einst waren es die Besserwisser, die jede Unterhaltung verödet haben, vielleicht sinds bald die Alleswisser, die das Netz einfach nur langweilig machen.