Thomas Hoeren, Experte für Informationsrecht, warnt vor den Gefahren der Social Media

Kann man im Jahr 2011 noch ernsthaft der Ansicht sein, Facebook sei für Unternehmen zu gefährlich und solle daher besser gemieden werden? Und kann man diese Ansicht auch noch ernsthaft in namhaften seriösen Magazinen vertreten? Ja, man kann. Man kann, wenn man Richter, Professor der Juristerei und Ordinarius an der Universität zu Münster ist und seine Gedanken in dem Fachmagazin Fachmagazin „Deutscher AnwaltsSpiegel“ äußert.

Der Herr Professor findet viele juristische Gründe, weshalb Unternehmen sich von Social Media, besonders aber von Facebook fern halten sollten und kommt zu dem Schluss, die Geschäftsinteressen von Unternehmen bissen sich regelmäßig mit den Besonderheiten des Web 2.0 und den dort gängigen interaktiv-privaten Umgangswünschen. Facebook, so stellt er fest, sei eine einzige juristische Grauzone.

Da hat er Recht.

Henne und Ei in der Juristerei

Social Media sind das erste Medium, in dem Unternehmen und (potentielle) Kunden direkt aufeinander stoßen und direkt, quasi privat, miteinander kommunizieren. Das ist für beide Seiten neu und ging und geht bis heute manchmal schief. Aber haben sich Unternehmen von Rückschlägen je aufhalten lassen? Liegt es nicht in der Natur von Unternehmen, dass sie solche Herausforderungen annehmen, Antworten und (Kommunikations-)Produkte finden, die der Herausforderung durch die Social Media gerecht werden? Lösungen entwickeln, die ihnen Vorsprung vor anderen Unternehmen schaffen? Würden wir heute in Flugzeugen sitzen, wenn Entwickler und Unternehmen sich von ersten Abstürzen hätten abschrecken lassen?

Und ja, die Kommunikation in den Social Media bewegt sich häufig in einer juristischen Grauzone. Das liegt nicht daran, dass es dort zwielicht und gefährlich zugeht – was zwar vorkommen kann. Vielmehr muss es so sein. Denn in Sachen Welt und Gesetzen ist die Frage nach Henne und Ei geklärt. Erst war die Welt, dann wurden Gesetze entwickelt um das Zusammenleben, den Umgang mit Natur, Land und Gütern zu regeln. Gesetze sind eben keine Naturgesetze, sondern werden aus Erfahrung entwickelt.

Gesetze der Zukunft

Die Social Media haben eine neue Form der Kommunikation hervorgebracht, eine private Weltöffentlichkeit, die bis vor wenigen Jahren noch nicht existierte. Juristisch betrachtet kann diese neue Welt nur eine Grauzone sein, weil die Gesetze der Realität immer hinterherhinken. Im Blick auf die Social Media ist dies besonders auffällig, weil diese sich rasant schnell verändern – auch für die judikative Welt, die sich nicht immer schnell bewegt, ist dies eine ganz neue Herausforderung. Schließlich beruhen weite Teile unseres bürgerlichen Gesetzesbuchs noch auf Bismarckschen Wurzeln. Und mit Bismarck ist in Sachen Social Media kein Staat zu machen. Die Social Media sind eine Grauzone, weil es die Gesetze noch nicht gibt, die sie regeln. Mag auch sein, dass die Logik von Gesetzen dort nicht mehr richtig greifen kann, weil auch Gesetze schwammig werden, wenn Grenzen verschwimmen. Grenzen zwischen öffentlich, unternehmerisch und privat, Grenzen zwischen Intimität und öffentlichem Interesse, Grenzen zwischen lokal und global.

Wird das Gesetzbuch sich in Sachen Social Media selbst überleben? Was könnten Alternativen sein? Wäre es nicht besser, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen als Unternehmen den realitätsfernen Rat zu geben, sich von einem Medium fernzuhalten, das in absehbarer Zeit das Fernsehen und andere klassische Einweg-Medien hinter sich lassen wird, Herr Professor?

(Ein fachjuristisch versierter und kluger Kommentar zum Herrn Professor findet sich in dem allemal empfehlenswerten Social Media Recht Blog der Rechtsanwältin Nina Diercks.)

 

 

Der Herr Professor will nicht fliegen
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