Kein #Aufschrei

Vor einiger Zeit sang ich hier das große Loblied auf die Google-Tools.

Das war vor Snowden. Heute singe ich keine Lobeshymnen auf Google, mein Online-Verhalten habe ich aber bisher nicht geändert. Wie der allergrößte Teil der Internet-User wohl auch. Wir sind gläsern – na und? – scheint insgesamt die Devise zu sein. Zwar wittert z.B. der Spiegel in der NSA-Affaire die große Chance für den Kanzlerkandidaten Steinbrück. Ich glaube nicht an diese Chance. Die NSA-Neugier ist älter als die Kanzlerschaft von Merkel und auch die Politik der SPD/Grünen-Koalition, die bis 2005 an der Macht war,  war um kein Haar transparenter als die der jetzigen Regierung. Der allgemeine Schrei der Empörung, auf dem die Chance fußen könnte, exisitiert nicht.

Schützen Sie sich vor Überwachung!?

Ich habe gleich nach Bekanntwerden der NSA-Spähaktivitäten einigen Bildungsinstitutionen mit denen ich zusammen arbeite, ein Seminar mit dem Thema „Wir müssen leider draußen bleiben – wie Sie Ihre Privatsphäre vor Überwachung schützen“ angeboten – das Echo war bescheiden. Zu speziell, zu kompliziert, nicht interessant für ein breites Publikum.

Offen gestanden glaube ich, dass diese Argumentation nicht ganz verkehrt ist. Privatsphäre, Verschlüsselung und private Spionageabwehr haben einen Preis – und der besteht in einem technischen Aufwand, den die meisten ganz normalen Internet-Nutzer nicht zahlen wollen und können. Neuinstallationen, Rooter-Einstellungen, Verschlüsselungen, Anbieterwechsel, Daten-Exporte und -Importe. Die meisten Bürgerinnen und Bürger müssten sich das Know-How dafür erst erwerben, ganz abgesehen von der Zeit, die solche technischen Einrichtungen immer kosten. Und das alles mit unsicherem Ergebnis, denn – darin sind sich Experten einig – ganz und gar wird man die eigenen Daten nicht vor Überwachung schützen können.

Demokratie als Freilandhaltung

Natürlich ist die Vorstellung erschreckend und geradezu absurd, dass jede Bewegung, die ich im Netz mache, nicht nur für Google (beim mir, weil ich dort permanent eingeloggt bin), Facebook, Microsoft etc. nachvollziehbar ist und damit nach algorithmischer Aufbereitung viele meine Schritte auch vorhersehbar sind, sondern dass zudem die NSA meine Bewegungen bei Bedarf beliebig einsehen kann.

Andererseits – haben wir wirklich geglaubt, es könne eine Technologie der Überwachung geben, die ein Staat, der sich – und das nicht erst seit 9/11 – permanent angegriffen fühlt, nicht nutzt? Dass ein solcher Staat darauf verzichtet alles zu wissen, was er wissen kann? China macht schon lange vor, wie die fast lückenlose Überwachung des Internets funktioniert. Dachten wir wirklich, unsere Regierungen ließen die Finger davon? Die Leine, an der wir gehalten werden, ist wesentlich länger als die in China Übliche. Praktische Demokratie ist eine Politik der langen Leine, Freilandhaltung, und der Konsens der Bewegungsfreiheit. Offensichtlich bedeutet sie nicht den Verzicht auf Überwachung und Kontrolle. Und wir scheinen uns daran in der Mehrheit schon längst gewöhnt zu haben.

Bewusstsein statt Fatalismus

Ich möchte hier keinesfalls den großen Fatalismus predigen – man kann allemal nichts machen und da ich nichts zu verbergen habe, ist das ja auch alles nicht so schlimm. Nur ist es tatsächlich so: Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Wir werden überwacht, sind gläsern und können die Tür vor den Spähern nicht wirklich schließen. Doch haben wir uns in den letzten Jahren, in denen dieses Überwachungsnetz so unglaublich dichtmaschig geknüpft wurde, auch nicht wirklich mit dem Thema beschäftigt und es statt dessen kräftig verdrängt.

Ein erster Schritt wäre eine Schärfung des Bewusstseins – merke: Eine E-Mail ist ein offenes Buch, eine SMS eine einsehbare Postkarte, jeder Post bei Facebook wird nicht nur von Facebook gespeichert, jeder Schritt, den ich mit Smartphone oder Handy in der Tasche mache, ist im Prinzip nachverfolgbar. Ein so geschärftes Bewusstsein ändert nicht die Überwachungsmethoden der NSA, aber längerfristig die persönlichen Verhaltensweisen – momentan liegt in diesen wohl der einzige bescheiden Hebel, an dem eine Veränderung ansetzen könnte.

Und wenn Sie mit diesem geschärften Bewusstsein dann doch die Tür wenigstens ein Stück schließen wollen – hier finden Sie Material und Anleitungen:

Teil 2: Ich bin ja so gläsern! Teil 2 – 10 Tipps für einen Urlaub von der NSA

Teil 3: Stell dir vor, es geht dir prima und keiner weiß es – ich bin ja so gläsern Teil 3

 

 

Ich bin ja so gläsern – Teil 1
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